Natürlich ist der Mann mit dem Fagott nicht Udo Jürgens. Udo Jürgens ist der Mann mit dem weißen Klavier, der Mann mit dem unwiderstehlichen Blick, dem die Frauen zu Füßen liegen, der Mann mit Hits wie Griechischer Wein oder Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an. Nun ist Udo Jürgens 70 geworden. Und wie es im Moment Mode ist unter Showstars, hat er sich mit Michaela Moritz eine (im Übrigen überaus kompetente) Ghostwriterin besorgt und seine Geschichte erzählt. Nicht als Autobiographie, sondern als Roman, aber natürlich als ein stark autobiographischer Roman, der Dichtung und Wahrheit, vor allem aber Wahrheit und Wahrheiten miteinander mischt: Es erzählt die Wahrheit und ist doch einen Roman: Es erzählt die Geschichte so, wie ich sie sehe, sie recherchiert und erlebt, sie aus den Geschichten meiner Kindheit und Jugend rekonstruiert habe, sagt Jürgens in Der Mann mit dem Fagott, um dann philosophisch-altersweise fortzufahren: Aber jede Geschichte erzählt so viele Wahrheiten wie Personen, die dabei waren und darüber erzählen. Um es aufzuklären: Der Mann mit dem Fagott ist mit der Lebensgeschichte Jürgens Großvater Heinrich Bockelmann verknüpft, dem das Buch gewidmet ist. Bockelmann stand im Jahr 1891 vor der Entscheidung, ob er samt Familie nach Amerika oder Russland auswandern solle. Da hörte er auf dem Bremer Weihnachtsmarkt ein Fagott, das eine russische Weise spielte — für ihn ein Schicksalswink, dem er folgen musste. Was folgt, ist eine bewegende Geschichte in den Wirren des 20. Jahrhunderts, die zur Jahrhundertwende beginnt, über Österreich nach Moskau bis in den Ural führt, um dann nach Deutschland und England überzuschwenken — und irgendwann, fast unmerklich, zu Udo Jürgens eigener, faszinierender Erfolgsgeschichte wird. Autobiographisch aufschlussreich — und tatsächlich spannend wie ein Roman. –Thomas Köster