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Niederungen: Prosa [Gebundene Ausgabe]

Als Herta Müllers Prosasammlung Niederungen 1982 zum ersten Mal in zensierter Form in Bukarest erschien, waren die Streichungen der rumänischen Securitae nicht beruhigend genug. Der Geheimdienst beobachtete und verfolgte die Autorin, und selbst nach ihrer Übersiedlung nach Westberlin erhielt sie anonyme Drohanrufe. Ob hinter den Nachstellungen immer die Securitate steckte, oder im ein oder anderen Fall vielleicht auch Vertreter der Banatschwaben im Ausland standen, war dabei unklar. Denn auch diese deutschsprachige Gruppe im kommunistischen Rumänien hatte sich Müller mit Niederungen nicht gerade zum Freund gemacht. Autobiografisch angehaucht, erzählt Niederungen vom harten Dorfleben der Banatschwaben, von der intellektuellen Beschränktheit und menschlichen Grausamkeit des Alltagslebens aus der Sicht eines Kindes. Dieses wird von der Großmutter ebenso wie von der Mutter geschlagen, die bis zuletzt nicht weiß, warum sie ihren Mann überhaupt geheiratet hat („Ich will nicht heiraten, aber ich sah das geschlachtete Rind, und Großvater hätte mich umgebracht“). Lesenden Menschen begegnet die Dorfgemeinschaft mit Misstrauen, und doch wird die Sprache für die Erzählerin zur Rettung und zum Zufluchtsort: In Niederungen ist der ganze Schrecken des Alltags in poetischen Bildern und Worten verpackt, die es vom Leser weiterzuspinnen gilt. Stolz verkündet der Klappentext, mit der aktuellen Ausgabe von Niederungen werde das Buch “in seiner definitiven Gestalt vorgelegt”. Tatsächlich hat Müller die gestrichenen und gekürzten Passagen früherer Ausgaben wieder eingefügt und den gesamten Text „noch einmal durchgesehen und korrigiert“. Das klingt nicht so, als wäre der raue Charme des Originals wiederhergestellt worden, sondern so, als hätte die Autorin aus der historischen Distanz ihrer Biografie einen neuen oder doch zumindest differenzierten Text geschrieben. Aber eigentlich ist das ja auch egal. Denn Niederungen ist ein poetisches, verstörendes, ergreifendes Stück Literatur, dass die Reife der späteren Atemschaukel (2009) schon erahnen lässt.– Isa Gerck

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