Die ersten Kapitel sind ganz dem gefallsüchtigen und geldgierigen Vater Leopold Mozart gewidmet. Im wahren Schweinsgalopp hetzt dieser Prototyp eines Tennisvaters Wolfgang und Nannerl, seine beiden Naturwunder (Leopolds Werbetext), quer durch Europas Fürstenhäuser. Das gerade 9-jährige Tastengenie und seine ältere Schwester erweisen sich als wahre Goldesel. Doch bald schon sollte der kleine Mann in seiner Frisur und Degen, wie ihn ein 14-jähriger Goethe 1763 beschreibt, aus dem Schatten des Vaters heraustreten und im Musikhimmel seinen Platz einnehmen. Seinen Förderer und Quälgeist würde Wolfgang Amadeus Mozart jedoch nie ganz loswerden. Als hätte Charles Dickens ihm die Feder geführt, erweist sich der Historiker Melograni als begnadeter Erzähler. In einer Art Reisejournal verfolgt er den Weg der Mozarts durch Europa. Melograni liefert eine farbige Milieustudie jener Tage, in denen Kutschfahrten ins Ausland ein zwiespältiges Vergnügen waren. Achsenbrüche, Wegelagerer, Typhus und Cholera lauerten an jeder Ecke, wie die Mozartkinder leidvoll erfuhren. Da Tantiemen und Verträge noch unbekannt waren, bestand die Gage der Musikerfamilie oft genug nur aus einem zerbeulten Pokal aus der Rumpelkammer des jeweiligen Fürsten. Anders am Hofe Ludwigs XV., oder im reichen England, wo die beginnende Industrialisierung König Georgs Staatsschatullen überquellen ließ. Hier trug ihr Spiel reiche Früchte ein. Wichtiger noch, der Londoner Bach-Sohn Johann Christian weihte Wolfgang Amadeus in die Geheimnisse der italienischen Oper ein. In Italien schließlich entstand 1770 dessen erste Opera seria, Mitridate re del Ponto. Mailand bejubelte den 14-jährigen Komponisten. Vielleicht überzeugte dies endlich Österreichs Kaiserin Maria Theresia, die den Mozarts (…diesen unnützen Leuten) bislang die kalte Schulter gezeigt hatte. Der Rest ist spannende Musikgeschichte. Im Gegensatz zur zweiten Mozart-Biografie dieses Herbstes, Martin Gecks Mozart. Eine Biographie, einem eher streng akademischen Werk, treibt den fabulierenden Italiener nichts als die Lust am Erzählen. So erfüllt er eine Epoche und ihren musikalischen Leitstern mit prallem Leben, das es eine wahre Pracht ist! –Ravi Unger
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