Vom Jazz und Swing in verrückten Zeiten Der Name Ernst Höllerhagen ist in der Musikgeschichte weitgehend in Vergessenheit geraten, obwohl er in der Mitte des zwanzigsten Jahrhundert wie zur Zeit der Swingära für die europäische Jazzwelt einen sehr guten Klang hatte. Unzählige Plattenaufnahmen zeugen davon, wie gefragt der begabte Klarinettist und Saxophonist sowohl als Solist als auch im Ensemblespiel der großen Swing- und Tanzorchester war. Ernst Höllerhagen hat im Zeitraum von ersten Aufnahmen 1934 in Holland bis 1955 in der Schweiz insgesamt 550 (!) Titel mit bekannten Orchestern und unter seinem Namen auf Platten veröffentlicht, die heute als Schellack-Schätzchen Sammler-Raritäten sind. Die Lebensgeschichte Ernst Höllerhagens, der am 5. Oktober 1912 in Wuppertal-Barmen geboren wurde, ist auch eine Zeitreise in das Berlin der 30er Jahre und zeigt den Wahnsinn, aber auch die inneren Widersprüche der nationalsozialistischen Kulturpolitik, für die Jazz und Swing »entartete Musik« war. Dass Höllerhagen im nationalsozialistischen Deutschland sich mit Benny Goodman einen jüdischen Musiker, dessen Spiel als »entartet« galt, zum Vorbild nahm, macht ihn weder zu einem Avantgardemusiker noch zu einem Helden des Widerstands. Swing und Jazz, das war Ausdruck eines Lebensgefühls – und eines ästhetischen Bewusstseins: Die Leichtigkeit und die komplexe rhythmische Struktur des Jazz passen nicht zum Marschrhythmus. Erst durch die Verbote und Verfolgung der Nazis wurden die Protagonisten und Anhänger dieser Musik politisiert. Auf die Frage: »Sind Sie Nationalsozialist?« hat Ernst Höllerhagen bezeichnenderweise so geantwortet: »Nein,– ich bin Saxophonist!« Das Berührende an der Biographie Höllerhagens – ein Leben swingend zwischen musikalischen Höhenflügen und Abstürzen im Privaten – ist, dass er sich und der Liebe zu seiner Musik in den entscheidenden Augenblicken seines Lebens treu geblieben ist. Davon erzählt diese Biographie – und vom Jazz und Swing in den verrückten Zeiten der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.