Emma ist ein ganz und gar ungewöhnliches Mädchen. Erst zwölf Jahre ist sie alt, und nicht nur in ihrem Heimatort La Port eine kleine Berühmtheit. Immerhin hat Emma schon zwei Kriminalfälle gelöst, darunter auch der spektakuläre rund um den Tod von Mary-Evelyn Devereau, die im benachbarten Spirit Lake ertrunken ist. Aber die Gegend hat noch mehr Geheimnisse. Eines rankt sich um das einstmals herrschaftliche Hotel „Belle Rouen“, von dem nun nur mehr eine Ruine vorhanden ist. Dieser Ort zieht Emma magisch an, denn er scheint aufs Wunderbarste mit Emmas mörderischem Hobby zu korrespondieren. Vor langer Zeit wurde im „Belle Rouen“ unter mysteriösen Umständen ein Baby entführt. Und Emma macht sich nun daran, die Geschichte des Verbrechens aufzudecken und das Kind wiederzufinden… Martha Grimes ist eine der First Ladies des auch sprachlich gepflegten Thrillers. Ihre Krimis rund um Inspektor Jury sind internationaler Kult. In Die Ruine am See nimmt sie einmal eine ganz andere, ungewöhnliche Ich-Perspektive ein. Denn Grimes schildert ihren Plot mit den Augen ihrer zwölfjährigen Heldin Emma, die nicht nur aufgrund ihres kindlichen Alters eine ganz eigene Sicht auf die kriminelle Welt der Erwachsenen hat. Dabei imitiert die Autorin die detailversessene, hin und wieder etwas konfuse Erzählweise ihrer Protagonistin minutiös. Dieses erzähltechnische Verfahren ist Grimes nicht immer perfekt gelungen. Immer wieder verfällt sie in ihren typischen Stil, der den Leser hin und wieder doch vergessen lässt, dass er es mit den Schilderungen eines Kindes zu tun haben soll. Über weite Strecken aber gelingt die Illusion, die der sattsam bekannten kriminalistischen Erzählperspektive durchaus neue Facetten abgewinnt. Und: Die Ruine am See hat natürlich wieder eine überaus spannende Handlung. Und das ist bei einem Thriller ja auch nicht so ganz unwichtig. — Stefan Kellerer
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