Lieder oder Stücke über den Tod finden sich bei vielen Komponisten. Aber Lieder explizit über den Tod von Kindern, also Kindertotenlieder, sind da schon eine Ausnahme. Es gehörte lange Zeit zum familiären Leben dazu, da im 18. Jahrhundert jedes vierte Kind das sechste Lebensjahr nicht erreichte. Auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts starben noch genauso viele Kinder im Kleinkindalter und selbst heute kommen, obwohl man kaum davon hört, in jedem Jahr ca. 20 000 Kinder und Jugendliche bis fünfundzwanzig Jahren in Deutschland ums Leben. Man kann sich nicht vorstellen, wie schwer es für die Familien ist, mit dem Tod eines Kindes zurechtzukommen, geschweige denn, den Tod mehrerer Kinder zu verkraften. Schon einige Ehen und Familien sind an solchen Unglücken zerbrochen und auch für überlebende Geschwisterkinder ist ein solcher Verlust schwer zu verstehen und zu verarbeiten. Obwohl die Anzahl der trauernden Angehörigen heute in die Hunderttausende geht und bei vielen ähnliche Gefühle und Abläufe auftreten, ist es für alle schwierig damit umzugehen, darüber zu reden und so den Schock abzubauen. Die Trauerphasen, die dabei durchlaufen werden, dauern bei jedem unterschiedlich lang und sind auch mehr oder weniger stark ausgeprägt, aber sobald der Betroffene alleine gelassen wird, kann es zu mehr oder weniger schweren Schäden kommen. Die Schwierigkeit ist also, die Betroffenen weder übermäßig zu betreuen, noch zu vernachlässigen. Viele Psychologen teilen die Trauer in vier Phasen ein, die von dem ersten Nicht-Wahrhaben wollen bis zum neuen Welt- und Selbstbezug reichen. Die einzelnen Verarbeitungsmöglichkeiten sind in jeder Phase ein wenig anders und unterscheiden sich je nach Alter, Glaubens- und Lebenseinstellung des Trauernden. Einige ziehen sich absolut in sich zurück, während andere ihren Gefühlen Ausdruck verschaffen, was dann wiederum auf provokante, aggressive oder kreative Art passieren kann. Auch im 18. und 19. Jahrhundert, als die Kindersterblichkeit noch sehr viel höher war, äußerte sich die Trauer. So entstanden zum Beispiel Kindertotengedichte von Joseph Eichendorff und Hoffmann von Fallersleben, aber auch der heute weitgehend unbekannte Friedrich Rückert schrieb nach dem Tod zweier seiner Kinder ungefähr 400 Kindertotenlieder. […]